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   Stichwort:  Phänomenologie

Der Begriff „Phänomen“ bedeutet ein Wahrnehmbares, das ohne Bezug auf das Wesen einer Sache Schein ist, als Wahrnehmbares eines Wesen ist es Erscheinung. Die Erkenntnis beginnt mit dem Schein (z. B. sehen wir die Bewegungen der Sterne am Nachthimmel), daraus wird das Wesen (die Rotation der Erde) erkannt, sodass der Schein sich zur Erscheinung aufklärt (wir drehen uns mit der Erdoberfläche, während die Sterne dazu relativ fest stehen).

Diesen allgemeinen Gang der Erkenntnis hat Hegel für die Philosophie als den spezifischen Weg ihrer Erkenntnisse entwickelt. Da die Philosophie im Gegensatz zu den Naturwissenschaften ihre allgemeinen Aussagen nicht durch Experimente belegen kann, muss sie den Gang der Argumentation (die Phänomene der philosophischen Entwicklung) als notwendige Momente ihrer Wahrheit integrieren. Der Gang der Entwicklung zur Wahrheit gehört zur philosophischen Wahrheit notwendig dazu. Ein avancierter Stand des philosophischen Bewusstseins hat dann im Idealfall prinzipiell alle Argumente (geistigen Phänomene), die je zu einem Problem und seiner Lösung gedacht wurden, in die Theorie, die dieses Problem klären will,  aufgenommen.

Die moderne Phänomenologie, die auf Husserl zurückgeht, hat kaum etwas mit dieser Tradition des Begriffs „Phänomenologie“ zu tun. Sie will die vorhandenen Erkenntnisse, insbesondere die der Naturwissenschaften ontologisch begründen. Durch die Methode der Reduktion und Wesensschau (siehe in diesen „Erinnyen“ den wissenschaftlichen Beitrag: 1.1.) sollen alle psychischen und situativen Aspekte einer Vorstellung „ausgeklammert“ werden, um das Phänomen „rein“ zu erkennen. So sollen von etwas Rotem in der Wahrnehmung oder in der Vorstellung alle Nebenaspekte wie die Helligkeit, die Schattierung wie Weinrot, die Situation, in der ich das Rot sehe, usw. ausgeklammert werden, um das Phänomen ‚rot’ rein zu erkennen. Diese reinen Phänomene werden dann zum Ontologischen erklärt und sollen die phänomenologische Grundlage der entsprechenden Wissenschaft sein.

Dabei spielt der Begriff „Intuition“ eine wichtige Rolle: Die Phänomene sollen uns intuitiv gegeben sein, sodass keine logische Argumentation daran rütteln könne. Nun spielt bei jeder neuen Erkenntnis die Intuition als spontane Erkenntnis eine Rolle, ob aber das intuitiv Erkannte wahr ist oder nur Blödsinn, muss sich im systematischen Zusammenhang der Erkenntnisse erweisen, während bei Husserl der systematische Zusammenhang auf dem intuitiv Gewonnenen als dem Apriori basieren soll. Die Phänomenologie mündet dadurch im Irrationalismus.

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Diese phänomenologische Methode, die das Unmittelbare erkennen will, widerspricht sich selbst: Als Unmittelbares, das durch die Methode der Reduktion gewonnen werden soll, ist es immer schon durch das erkennende Subjekt und seine Methode vermittelt, also nicht unmittelbar. Wird dieses durch das erkennende Subjekt Vermittelte zum Ontologischen (Extramentalen) erklärt, dann ist dies eine Hypostase von Denkinhalten. So ist etwa „Rot“ nach dem heutigen Stand des Wissens eine Lichtfrequenz (also Masse und Bewegung). Was wir als rot wahrnehmen, ist allein unserem Wahrnehmungsapparat geschuldet, also etwas Gattungssubjektive, das durch entsprechende Lichtfrequenz in uns angeregt wird. Das Phänomen „Rot“ ist deshalb gerade kein Extramentales. Welches Phänomen ich für die Reduktion zum reinen und ontologischen Phänomen auswähle, liegt in meiner Willkür: Die Erklärung eines solchen Phänomens zum Ontologischen, das die Grundlage der Wissenschaften sein soll, ist ein Zirkelschluss: Ich bestimme ein Phänomen meiner Wahrnehmung als ontologisches und gründe darauf wieder meine Wissenschaft von dieser Art der Phänomene, analog mit der Wesensschau. Mit diesem Zirkelschluss lässt sich etwas und sein Gegenteil begründen.

Max Scheler hat nun diese falsche Philosophie noch einmal irrational übersteigert, indem er seine „materialen Werte“ der Moral dem Fühlen entspringen lässt. Material sollen seine moralischen Werte deshalb sein, weil sie nicht dem Bewusstsein oder der Vernunft entsprungen seien, sondern an den Gütern (und Menschen) als deren moralische Qualität im Fühlen „aufscheinen“. Seine zirkuläre Bestimmung der Werte liegt darin, dass er den Kulturbürger der Kaiserzeit absolut setzt, sein Fühlen zum menschlichen Fühlen überhaupt erklärt und zum Maßstab und Auswahlkriterium seiner materialen Werte macht. Diese als apriori bestimmten materialen Werte sind jedoch aposteriori aus der historischen Epoche einer bestimmten sozialen Klasse gewonnen. Sie sind deshalb auch nicht objektiv und ontologisch unserer Gefühlsstruktur inkarniert (bei ihm zum ordo amoris übersteigert), sondern Ausdruck eines sowohl von der Arbeiterbewegung wie durch den modernen Kapitalismus in die Defensive gedrängten kleinbürgerlichen Kulturmenschen. Indem diese historischen „Werte“ willkürlich zu ontologischen erklärt werden, um sie dem Lauf der Geschichte zu entziehen, verfallen sie erst recht qua ihrer Willkür dem Zeitlauf.

Was bei den anderen Nachfolgern Husserls von der ursprünglichen irrationalen Phänomenologie bleibt, ist die reduktive Methode („Wesensschau“), die Intuition als Basis der Erkenntnis und der Anspruch, Ontologisches (bei Heidegger „Ontisches“) durch direkten Zugriff erfassen zu können. Gegenüber dem um 1900 vorherrschenden Neukantianismus, der jede Korrelation von Denken und extramentalem Sein ablehnte, war es der Anspruch der Phänomenologie, „zu den Sachen selbst“ vorzudringen, eine Korrelation von Denken und Sein herzustellen. Dieser Anspruch war für viele bürgerlichen Denker attraktiv, er hat diese Richtung der Philosophie bis heute am Leben erhalten. Aber auf der Grundlage eines Irrationalen Philosophie und Wissenschaft betreiben zu wollen, ist ein Widerspruch in sich und wohl ideologischen Motiven zu verdanken: Man kann sich mit den Sachen befassen, ohne sie wirklich in ihrem Wesen erkennen zu wollen. So hat Hanna Arendt die Phänomene des „Totalitarismus“ treffend beschrieben und analysiert, sie bewegt sich aber im Bereich des Scheins, der politischen Oberfläche, weil sie die wesentlichen Unterschiede des bürokratischen Kollektivismus („Stalinismus“) mit staatlichem Eigentum an Produktionsmittel und Planwirtschaft, und des Faschismus, der eine Diktatur mit kapitalistischer Produktionsweise darstellt, nicht systematisch als Wesensbestimmungen dieser Gesellschaften einbezieht. Derartige Wesensbestimmungen sind dann auch keine beobachtbaren Phänomene oder deren Wesen, sondern Gesetze der Erscheinungen, an welche die Phänomenologie nicht heranreicht.

    Primärliteratur:
(Genauere Angaben siehe Literaturverzeichnis zum wissenschaftlichen Beitrag.)
Kant: Kritik der reinen Vernunft
Hegel: Phänomenologie des Geistes
    Moderne Phänomenologie:
Husserl: Logische Untersuchungen
Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik
    Sekundärliteratur:
Fellmann: Phänomenologie zur Einführung
Stegmüller: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie Band I
Wörterbuch der phänomenologischen Begriffe
   Und in diesen „Erinnyen“:
Gaßmann: Kritik der Wertphilosophie III

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Letzte Aktualisierung:  16.05.2007